Auch Pflichtteilsberechtigte haben einen Auskunftsanspruch gegenüber Erben!
Pflichtteilsberechtigte haben gegenüber den Erben umfängliche Auskunftsansprüche. Diese sind deshalb notwendig, weil der Pflichtteilsberechtigte oftmals keinerlei Kenntnis über den Wert des Nachlasses haben wird und sich auch anderweitig hierüber auch keine Kenntnis verschaffen kann. Mit solchen Konstellationen hat man als Rechtsanwalt im Erbrecht häufig zu tun. Es gibt nun aber auch die umgekehrte Konstellation, in der ein Erbe nicht weiß, ob der Pflichtteilsberechtigte nicht selbst bereits schon zahlreiche Schenkungen von dem Erblasser erhalten hat, die er sich bei der Berechnung seines Pflichtteils anrechnen lassen muss. Die Interessenlage ist vergleichbar, allerdings gewährt das Gesetz in diesem Falle dem Erben keinen Auskunftsanspruch gegen den Pflichtteilsberechtigten wie es ihm dem Pflichtteilsberechtigten in § 2314 BGB gewährt. Bedeutet dies, dass der Erbe rechtlos gestellt ist und der Pflichtteilsberechtigte so mehr erhalten kann als ihm eigentlich zusteht? Nein, entschied das OLG Koblenz in einem Urteil vom 25. November 2015 und verwies auf die gleiche Interessenlage. Obwohl Auskunftsansprüche dem Zivilrecht meist fremd sind und hauptsächlich nur im Erbrecht existieren, würde die Versagung eines solchen Auskunftsanspruches zu Verzerrungen führen. Der Erbe muss nach Ansicht des Gerichts gegen den Pflichtteilsberechtigten einen umfassenden Anspruch auf Erteilung einer Auskunft über sämtliche Zuwendungen haben, die der Erblasser bereits an ihn getätigt hat, wobei der Rechtsgrund dieses Anspruchs im Detail ungeklärt ist (analoge Anwendung des § 2314 BGB oder Anspruch aus Treu und Glauben?). Diesen Anspruch kann der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten entgegenhalten, wenn er mit einem Auskunftsanspruch oder einem Zahlungsanspruch konfrontiert wird.
Um in diesem Zusammenhang einem in der Praxis des Rechtsanwalts im Erbrecht oft auftretendem Missverständnis vorzubeugen: eine zeitliche Begrenzung für die Berücksichtigung von Schenkungen, die auf den Pflichtteil anzurechnen sind, existiert nicht. Zwar gibt es die Zehn-Jahres-Regel, die besagt, dass Schenkungen nur innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren ab Vollzug der Schenkung zu berücksichtigen sind und diese auch neuerdings auch nur im Rahmen eines Abschmelzungsmodells, nach dem die Schenkung im ersten Jahr voll zu berücksichtigen ist, im zweiten nur noch mit 90 %, im dritten Jahre nur noch mit 80 % usw. Allerdings gilt diese Regelung nur für sogenannte Pflichtteilergänzungsansprüche. Dies sind solche Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten, in denen der Erbe oder ein Dritter vom Erblasser Schenkungen vorab erhalten hat. Hintergrund ist, dass der Pflichtteilsanspruch nicht durch Schenkungen durch den Erblasser ausgehöhlt werden darf. Aus diesem Grund gilt diese Zehn-Jahres-Frist nicht für Schenkungen, die der Erblasser an den Pflichtteilsberechtigten getätigt hat und die sich der Pflichtteilsberechtigte anrechnen lassen muss.
Für alle Fragen rund um das Erbrecht stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt jederzeit zur Verfügung.
OLG Koblenz, Urteil vom 25. November 2015, 5 U 779/15
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