Häufig passiert es, dass Pflichtteilsansprüche den Erben in arge finanzielle Bedrängnis bringen, insbesondere, wenn der Nachlass nicht aus liquiden Mitteln, sondern zum Beispiel aus Immobilien besteht. Der Pflichtteil ist ja bekanntermaßen auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet und nicht auf die Teilhabe an Gegenständen. So kommt es häufiger vor, dass der Erbe die Pflichtteilsberechtigten bittet, seinem Pflichtteilsanspruch vorerst nicht geltend zu machen, damit er Zeit genug hat, sich die entsprechenden Barmittel zu verschaffen. Hierbei ist allerdings Vorsicht geboten: Pflichtteilsansprüche verjähren innerhalb von drei Jahren!
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte neulich einen Fall zu entscheiden, in dem eine Pflichtteilsberechtigte gegenüber ihrer als Erbin eingesetzten Tante im Wege der Stufenklage einen Auskunfts- und anschließenden Zahlungsanspruch hinsichtlich des Pflichtteils geltend macht. Die Erblasserin war 2001 verstorben. Daraufhin bat die beklagte Tante die Tochter, ihren Pflichtteil zunächst nicht geltend zu machen und versprach, sie im Gegenzug als ihre alleinige Erbin einzusetzen. Dies wiederholte sie in einem Schreiben aus dem Jahre 2008 erneut. Im Jahr 2014 hatte die Pflichtteilsberechtigte Grund für Zweifel, ob die Tante sie auch tatsächlich als Erbin einsetzen würde. Daraufhin machte sie ihren Pflichtteilsanspruch geltend und die Erbin berief sich auf Verjährung. Nachdem das Landgericht die Klage zunächst abgewiesen hat, gab das Oberlandesgericht der Klage statt und stellte fest, dass der Pflichtteilsanspruch noch nicht verjährt sei.
Zur Begründung bezog sich das OLG darauf, dass die Bitte der Erbin als Stundungsersuchen auszulegen sei. Dieses Ersuchen hat die Klägerin angenommen, in dem sie sich anschließend entsprechend der Bitte der Erbin verhielt. Die Dauer der Stundung war darin nicht vereinbart; darauf kam es nach Ansicht des OLG aber auch nicht streitentscheidend an, da insoweit von einer unbefristeten Stundung auszugehen sei. Wird aber eine solche Stundungsvereinbarung getroffen, so ist der Ablauf der Verjährung gehemmt. Zwar sind der Auskunftsanspruch und der Zahlungsanspruch getrennt voneinander auf ihre Verjährung zu überprüfen, allerdings ergab sich bei einer solchen Prüfung keinerlei Unterschied in der Sache.
Hinweis: die Unsicherheiten hinsichtlich der Erbeinsetzung hätten sich teilweise umgehen lassen können, wenn die Parteien einen bindenden Erbvertrag geschlossen hätten. Damit wäre die Pflichtteilsberechtigte zwar nicht vor dem Verkauf und einem „aufwändigen Lebensstil“ der Erbin geschützt, zumindest aber wäre ihre Erbposition gesichert und ein Schutz vor Schenkungen wäre gesichert gewesen.
Für alle Fragen rund um das Thema Erbrecht und Pflichtteilsrecht stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt jederzeit zur Verfügung.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 15. Oktober 2015, 9 U 149/14
Gesetzesänderungen haben von den Parteien unbemerkt Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Testamenten. Das Kammergericht hat kürzlich einen Rechtsstreit entschieden, in dem ein Erblasser im Jahre 1999 seinen „Lebenspartner“ als Erben einsetzte ohne ihn namentlich näher zu nennen. Zu diesem Zeitpunkt war die Lebenspartnerschaft allerdings noch nicht gesetzlich geregelt und dieser Rechtsbegriff konnte dementsprechend nicht im heutigen rechtstechnischen Sinne gemeint worden sein. Im Jahre 2002 begründete er dann eine gesetzliche Lebenspartnerschaft mit diesem im Testament als „Lebenspartner“ bezeichneten Mann, die im Jahr 2007 wieder rechtskräftig geschieden wurde. Der ledige und kinderlose Erblasser verstarb, von seinen Familienmitgliedern lebte nur noch sein Vater. Dieser beantragte daraufhin einen Allerbschein, da er der Meinung war, durch die Scheidung der Lebenspartnerschaft sei auch das Testament ungültig geworden. (Diese Auffassung ist im Prinzip richtig, da gemäß § 2077 BGB mit der Scheidung die Erbeinsetzungen der Ehegatten unwirksam werden, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Ehegatten ihre testamentarischen Verfügungen auch für den Fall aufrechterhalten wollten, dass sie geschieden werden.) Der geschiedene Lebenspartner beantragte ebenfalls einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist, da er das Testament für wirksam hält. Dieser Auffassung schlossen sich sowohl das Nachlassgericht, als auch schließlich das Kammergericht an.
Die zitierte Regelung des § 2077 BGB sei nämlich nur eine Auslegungsregel, so das Kammergericht, die erst dann zurate gezogen wird, wenn die individuelle Auslegung des Testamentes nicht bereits zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Ein solch eindeutiges Ergebnis konnte das Kammergericht aber bei Auslegung des Testamentes erzielen. Es gab nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser die Erbeinsetzung des Lebenspartners von dem Bestehen einer gesetzlichen Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz abhängig gemacht hätte, denn er hat ja seinen Lebenspartner zu einem Zeitpunkt als Erben eingesetzt, als die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare überhaupt noch nicht zulässig war. Wichtig: maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist immer die Abfassung des Testamentes, auf die Frage, ob sich der Erblasser mit dem Erben hinterher zerstritten hat oder diesen erneut als Erben einsetzen würde, kommt es nicht an. Das Kammergericht sah auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Erblasser die Erbeinsetzung unter der Bedingung der Eheschließung getroffen hätte. Zwar war bereits im Jahr 1999 absehbar, dass die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden soll, allerdings führt die bloße Bezeichnung als „Lebenspartner“ nicht dazu, dass dieser Begriff auch rechtstechnisch verstanden werden soll und der Erblasser die Vorstellung hatte, seinen Lebenspartner nur dann als Erben einzusetzen, wenn er auch über die gesetzliche Lebenspartnerschaft mit dem Erblasser verbunden wäre. Anhaltspunkte hierfür ließen sich nach Auffassung des Kammergerichtes nicht feststellen. Da also die gesetzliche Lebenspartnerschaft in keinem Zusammenhang mit der Erbeinsetzung stand, bedurfte es des Rückgriffs auf § 2287 BGB nicht. Die Einsetzung des Erben war mangels abweichender Testierung nach wie vor wirksam. Merke: Ein Testament in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wird nicht bei Trennung unwirksam! Die Feststellung der Unwirksamkeit des Testamentes ließe sich bestenfalls im Wege der Anfechtung Testaments erreichen.
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Kammergericht, Beschluss vom 29. September 2015, 6 W 57/15
Die Auswirkungen von Ehescheidungen auf die Wirksamkeit von Testamenten und Erbverträgen beschäftigen den Erbrecht tätigen Rechtsanwalt häufig. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte kürzlich ein Fall zu entscheiden, in dem die Erblasserin vor Eheschließung im Jahr 1972 einen Erbvertrag mit dem jetzigen Antragsteller schloss, in dem sich die beiden gegenseitig als Erben einsetzten und sich das Recht vorbehielten, jederzeit von diesem Vertrag zurückzutreten. Erst in der Folgezeit heirateten die beiden und die Erblasserin gebar im Jahr 1973 eine Tochter, die wiederum eine Tochter zur Welt brachte. Nachdem die Ehe im Jahr 1987 geschieden worden war, trat keine der Parteien von den Erbvertrag zurück, lediglich die Erblasserin errichtete im Jahr 2010 ein handschriftliches Testament, mit dem Sie Ihre Enkelin als Alleinerben einsetzte. Der ehemalige Ehemann und jetzige Antragsteller beantragte die Erteilung eines Erbscheines, während die Enkelin die Erteilung eines Erbscheines auf ihren Namen beantragte und das Testament angefochten hat.
Das Oberlandesgericht hat schließlich dem Antrag des Antragstellers stattgegeben, da der Erbvertrag wirksam sei. Zunächst stellt es fest, dass die wechselseitige Erbeinsetzung eine vertragsmäßige Verfügung gewesen ist, die nicht frei widerruflich war, sondern nur entsprechend der Regeln über den Rücktritt vom Vertrag zu beseitigen war. Da ein Rücktritt nicht erfolgt ist, legt das Gericht dar, dass eine Unwirksamkeit auch nicht aus §§ 2279, 2077 BGB folge. Danach ist eine letztwillige Verfügung nach einer Ehescheidung unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass diese Verfügung nicht auch noch getroffen worden wäre, wenn die Ehe geschieden wäre. Hierbei handelt es sich nur um eine Auslegungsregel, die bei Zweifeln an der Auslegung zum Tragen kommt. Ergibt eine Testamentsauslegung jedoch ein eindeutiges Ergebnis, so ist diese Regel nicht anzuwenden. Allerdings ist der Anwendungsbereich dieser Vorschriften hier nicht eröffnet, dann die Erblasserin und der Antragsteller zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages nicht miteinander verheiratet waren. Maßgeblicher Zeitpunkt ist ausschließlich der der Errichtung der letztwilligen Verfügung. Ob die Parteien später die Ehe miteinander geschlossen haben, ist ohne Belang. Diese Vorschrift kann auch nicht analog auf nichteheliche Lebensgemeinschaften angewandt werden. Dies macht das Gericht sehr deutlich, denn nach seiner Auffassung wäre es schwierig bis unmöglich, eine Eingrenzung der in Betracht kommenden eheähnlichen Verhältnisse vorzunehmen.
Auch die Anfechtung des Testamentes hat das OLG nicht durchgreifen lassen. Will ein Erblasser eine bindend gewordene Verfügung anfechten, so muss er dies durch notariell beurkundete Erklärung tun. Wollen Andere als der Erblasser das Testament anfechten, so gilt diese Beurkundungspflicht nicht. Allerdings fehlte es im vorliegenden Fall an einem Anfechtungsgrund. Ein Irrtum über die Rechtsfolge der Nichtigkeit nach Ehescheidung konnte hier nicht festgestellt werden. Dass die Erblasserin im Jahr 2010 erneut testiert hat, lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass sie über den Umstand der Bindungswirkung im Irrtum war. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dahin, dass die Erblasserin bei Abschluss des Erbvertrages bereits gewusst hatte, dass die Parteien später heiraten würden.
Für alle Fragen rund um das Thema Erbrecht stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt jederzeit gerne zur Verfügung.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 7. Juli 2015, 20 W 16/15
Die Anfechtung eines Testamentes oder Erbvertrages kommt in der Praxis des im Erbrecht tätigen Rechtsanwalt häufig vor, allerdings möchte ich gleich zu Beginn auf einen Unterschied zwischen der landläufigen Auffassung von einer Testamentsanfechtung und ihrer juristischen Bedeutung hinweisen: die meisten verstehen unter diesem Begriff jeglichen Angriff auf einem Testament, also beispielsweise auch Einwände gegen die Testierfähigkeit. Derartige Einwände sind jedoch keine Anfechtung im juristischen Sinne. Die Anfechtung eines Testamentes kann erklärt werden, wenn sich der Erblasser bei Abfassung des Testamentes in einem Irrtum befand. Eine solche Erklärung bedarf der notariellen Form und ist fristgebunden. Die Anfechtung wird dann durch einen übergangengen Erben erklärt, denn Erblasser kann ja jederzeit ein neues Testament errichten und braucht deshalb nicht anzufechten. Bei Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten kann es allerdings zu der Situation kommen, dass der Erblasser selbst seine testamentarische Regelung anfechten möchte, wenn das Testament oder der Erbvertrag bereits bindend geworden sind, also meist nach Tod des einen Ehegatten oder wenn ein Rücktritt nicht mehr möglich ist. Der Erblasser kann aus diesem Grunde nämlich nicht mehr sein Testament einfach widerrufen, sondern ist auf die Anfechtung angewiesen. Eine solche Anfechtung ist nur binnen Jahresfrist ab Kenntnis von dem Irrtum möglich.
Es stellt sich nun die Frage, inwieweit der Erbe noch das Anfechtungsrecht des Erblassers ausüben kann. Hierzu hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil kürzlich Stellung genommen. Der Entscheidung lag ein Fall zu Grunde, in dem sich die Ehegatten im Jahre 1977 in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben einsetzten und als Schlusserbin eine der beiden Töchter einsetzten, während sie die andere Tochter enterbten und ihr den Pflichtteil entzogen. Im Jahr 1985 errichtete der Vater ein Einzeltestament, in dem er seine Ehefrau als Alleinerben einsetzte. Nur dieses Testament lag dem Nachlassgericht bei seinem Tod im Jahr 1995 vor, weshalb dies einen Alleinerbschein für die Mutter ausstellte. Im Jahr 2012, nach dem Tod der Mutter, erteilte das Nachlassgericht beiden Töchtern einen gemeinschaftlichen Erbschein, der sie als hälftige Erben in gesetzlicher Erbfolge auswies. Es im Jahr 2013 wurde das Testament aus dem Jahr 1972 gefunden, weshalb die seinerzeit als Erbin eingesetzte Tochter nun einen Alleinerbschein beantragte. Die im Testament übergangene Tochter hat daraufhin das Testament aus dem Jahr 1975 wegen eines Motivirrtums ihrer Eltern angefochten. Sie für darin aus, dass die Eltern ihr bereits im Jahr 1978 wieder verziehen haben und der Grund für die harte Behandlung lediglich die Wahl des „falschen“ Studiums gewesen sei.
Der Bundesgerichtshof führt aus, dass das Anfechtungsrecht der Mutter (dies ist zunächst relevant, da sie ebenfalls die Tochter enterbt hatte und diese Verfügung aufgrund der nach dem Tode eingetretenen Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testamentes nicht mehr widerrufen konnte) bereits erloschen sei, da die Anfechtungsfrist (ein Jahr) mit dem Tod des Vaters im Jahre 1995 zu laufen begann. Da dieses Anfechtungsrecht erloschen sei, kann auch die übergangene Tochter als Dritte das Testament nicht mehr anfechten (§ 2285 BGB). Doch was ist mit dem Irrtum des Vaters? Dieser hatte ja seiner Tochter auch wieder verziehen. Hier greift die Regelung des § 2285 BGB nicht, da Interessenlage beim Tod des Erstversterbenden anders ist als beim Tod des Letztversterbenden. Der Erstversterbende hat jederzeit die Möglichkeit, sich von seiner Verfügung durch eine entsprechende Widerrufserklärung zu lösen, da sie in aller Regel noch nicht bindend geworden ist. Er befindet sich also anders als der Letztversterbenden nicht in der Situation, fristgebunden entscheiden zu müssen, ob er seine Verfügung anfechten möchte oder nicht. Der letztversterbende Ehegatte hingegen hat auf den Bestand der wechselbezüglichen Verfügung vertraut. Aus diesem Grund ist das Anfechtungsrecht für die Mutter zwar erloschen, aber das für den Vater nicht.
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Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Mai 2016, IV ZR 205/15
Häufig ist man als im Arbeitsrecht tätiger Rechtsanwalt mit Vertragsstrafeklauseln in Arbeitsverträgen konfrontiert. Mit solchen Klauseln lässt sich der Arbeitgeber eine Vertragsstrafe für Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zusprechen. Diese stehen in aller Regel im Zusammenhang mit der Nichterbringung der Arbeitsleistung, also wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeit vor Beginn des Vertragsverhältnisses nicht aufnimmt oder das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigt. Die Höhe der Vertragsstrafe ist von Arbeitsvertrag zu Arbeitsvertrag verschieden. Es entsteht immer die Frage, ob eine solche Klausel wirksam ist, denn Vertragsstrafeklauseln werden von der Rechtsprechung seit jeher sehr skeptisch beäugt.
Das Bundesarbeitsgericht hielt so auch jüngst in einem Urteil folgende Vertragsstrafeklausel für unwirksam: „Nimmt der Mitarbeiter die Arbeit nicht oder verspätet auf, löst er das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist auf, so hat der Mitarbeiter an das Unternehmen eine Vertragsstrafe zu bezahlen. Als Vertragsstrafe wird für den Fall der verspäteten Arbeitsaufnahme sowie der vorübergehenden Arbeitsverweigerung ein Bruttotagesentgelt für jeden Tag der Zuwiderhandlung vereinbart, insgesamt jedoch nicht mehr als das in der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist ansonsten erhalten Arbeitsentgelt. Im Übrigen beträgt die Vertragsstrafe ein Bruttomonatsentgelt.“
Die Klage des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe des Lohns für 14 Tage war in allen drei Instanzen erfolglos, obwohl der Arbeitnehmer unter Missachtung der 14-tägigen Kündigungsfrist fristlos gekündigt hatte.
Das BAG zerlegt diese Klausel zunächst in ihre zwei Bestandteile: einmal den die Vertragsstrafe begründenden Sachverhalt (vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses) und die darauf folgende Rechtsfolge (Höhe der Vertragsstrafe). Zunächst schickt das Gericht voraus, dass die Klausel nicht bereits an § 309 Nr. 6 BGB scheitert, da bei Arbeitsverträgen die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten zu berücksichtigen sind und solche Vertragsstrafeklauseln durchaus üblich sind. Das Gericht lässt im Folgenden offen, ob bereits der erste Teil der Klausel unwirksam ist, weil daraus nicht klar wird, ob nur solche außerordentlichen Kündigungen des Arbeitnehmers erfasst werden, die ohne wichtigen Grund ausgesprochen würden oder sämtliche außerordentlichen und fristlosen Kündigungen. Entscheidend ist für das Gericht allein, dass der zweite Teil der Klausel den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt und deshalb unwirksam ist. Für den Fall der fristlosen Kündigung sei nach der Klausel nämlich eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes zu zahlen. Daran ändert auch der Halbsatz „insgesamt jedoch nicht mehr als das in der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist ansonsten erhalten Arbeitsentgelt“ nichts. Die unangemessene Benachteiligung ergibt sich aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber dadurch nach Auffassung des Gerichtes übersichert ist. In der Probezeit gilt eine Kündigungsfrist von 14 Tagen. Innerhalb dieser muss der Arbeitgeber auch mit einer Kündigung des Arbeitnehmers rechnen. Ist die Vertragsstrafe nun höher als die Arbeitsvergütung, die in dieser Zeit zu zahlen gewesen wäre, stellt dies nur ausnahmsweise keine unangemessene Benachteiligung dar; nämlich dann, wenn der Wert der Arbeitsleistung aufgrund besonderer Umstände typischerweise und generell die geschuldete Arbeitsvergütung übersteigt.
Hinweis: selbst wenn der Arbeitgeber jetzt nur eine Vertragsstrafe in Höhe des Gehaltes für diese 14 Tage berechnet hätte, könnte er diese nicht durchsetzen. Maßgeblich ist bei der Beurteilung der Wirksamkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen nämlich nicht, was konkret aus der Klausel gemacht wird, sondern was theoretisch und abstrakt alles möglich gewesen wäre.
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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. März 2016, 8 AZR 665/14
Es kommt häufig vor, dass ein unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer eine höherwertige Tätigkeit zur Erprobung befristet übernehmen soll. An den im Arbeitsrecht tätigen Rechtsanwalt wird dann die Frage herangetragen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Befristung überhaupt wirksam ist. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht in einer aktuellen Entscheidung Stellung genommen. In dem Fall wurde einer als Verkäuferin im Einzelhandel angestellten Arbeitnehmerin (nach dem einschlägigen Tarifvertrag in der Gehaltsgruppe 2A) eine Tätigkeit als Kassiererin nach Entgeltgruppe 3 befristet übertragen. Dies geschah zunächst aufgrund einer Ergänzung des Arbeitsvertrages vom 14. Mai 2012 für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis zum 31.August 2012 und wurde am 10. September 2012 bis zum 28. Februar 2013 verlängert. Die klagende Arbeitnehmerin erhob Klage auf Feststellung, dass ihre Positionsveränderung nicht mit dem 28. Februar 2013 beendet war. Das Bundesarbeitsgericht gab ihr im Gegensatz zu den beiden Vorinstanzen letztendlich Recht.
Zunächst stellt das Gericht fest, dass es sich hier nicht um eine so genannte Entfristungsklage oder Befristungskontrollklage, einen Unterfall der Kündigungsschutzklage, handelt. Diese kann nämlich nur dann erhoben werden, wenn der Arbeitsvertrag insgesamt befristet wurde und nicht wie hier lediglich eine einzelne Vertragsbestimmung. Aus diesem Grunde sind auf die Regelungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfg) auch nicht anwendbar. Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob die Ergänzungsverträge erst nach Aufnahme der Tätigkeit abgeschlossen worden. Das Schriftformgebot gilt nämlich nur im Rahmen des TzBfG. Der Arbeitnehmer ist aber deshalb nicht rechtlos gestellt, sondern eine Überprüfung der entsprechenden Klauseln erfolgt anhand der Regelung über das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) – allerdings ist der Prüfungsmaßstab ein anderer. Nach § 14 TzBfG ist zu prüfen, ob die Befristung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, bei der Prüfung im Rahmen von AGB ist eine Angemessenheitskontrolle durchzuführen, die eine Interessenabwägung der rechtlich anzuerkennenden Interessen beider Vertragsparteien beinhaltet. Letztendlich spielt aber auch hier eine Rolle, ob ein Sachgrund vorliegt, der eine Befristung rechtfertigen könnte. So prüft das Bundesarbeitsgericht dann auch, ob der Befristungsgrund der Erprobung vorgelegen hat. Hintergrund war, dass bei der Arbeitgeberin ab dem Herbst 2012 ein neues Kassensystem eingeführt werden sollte. Allerdings beträgt eine solche Probezeit regelmäßig sechs Monate, im einschlägigen Tarifvertrag waren sogar lediglich drei Monate angegeben, so dass dieser Grund ausgeschieden ist. Eine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmerin war also nicht auszuschließen.
Wichtig zu wissen: grundsätzlich ist die Kontrolle einer solchen Klausel ausschließlich auf die zuletzt getroffene Abrede beschränkt. Dies hat den Hintergrund, dass die Kontrolle einer solchen Befristung nur dann nicht auf die zuletzt getroffene Abrede beschränkt ist, wenn die Parteien sich in der neuen Vereinbarung das Recht vorbehalten, die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung überprüfen zu lassen. Da dies in der Vereinbarung vom 10. September 2012 nicht vorbehalten war, muss die Abrede vom 14. Mai 2012 nicht weiter überprüft werden.
Für alle Fragen rund um das Thema Befristung stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt im Arbeitsrecht jederzeit zur Verfügung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2016, 7 AZR 253/14
Die Ausübung vieler Berufe ist an Zulassungen oder andere behördliche Voraussetzungen geknüpft. Wird eine solche widerrufen oder vorübergehend ausgesetzt, so stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer dennoch seinen Lohn bekommt, wenn er wegen Fehlens dieser Zulassung nicht von seinem Arbeitgeber eingesetzt werden kann.
Das Bundesarbeitsgericht hatte jetzt einen Fall zu entscheiden, in dem ein Luftsicherheitsassistent, der als Fluggastkontrolleur auf Flughäfen eingesetzt war, vorübergehend nicht mehr eingesetzt werden sollte. Die Bundespolizeidirektion, in deren Auftrag das Sicherheitsunternehmen, bei dem der Kläger anstellt war, tätig war, hatte den Arbeitgeber aufgefordert, den Kläger bis auf weiteres nicht mehr als Luftsicherheitsassistenten einzusetzen. Vorausgegangen waren Beschuldigungen einer Kollegin, wonach der Arbeitnehmer im Dienst Straftaten begangen haben soll. Die strafrechtlichen Ermittlungen wurden in der Folgezeit eingestellt und sodann hob die Bundespolizeidirektion den angeordneten Nichteinsatz wieder auf. Der Arbeitgeber hatte den Mitarbeiter nicht fristlos gekündigt, sondern ihn für diesen Zeitraum unbezahlt von der Arbeit freigestellt. Nach Aufhebung der Sperre klagte nun der Arbeitnehmer seinen Arbeitslohn für dieses Jahr ein – zu Recht, wie das Bundesarbeitsgericht urteilte.
Ausgangspunkt der Überlegungen des Gerichts ist, dass sich der Arbeitgeber in Annahmeverzug befand, d.h. dass er die ihm angebotene Leistung (die Tätigkeit des Arbeitnehmers) nicht angenommen hat. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer dennoch die geschuldete Vergütung verlangen kann. Voraussetzung für Annahmeverzug im laufenden Arbeitsverhältnis ist, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung auch tatsächlich angeboten hat; hierzu genügt ein wörtliches Angebot, wenn der Arbeitgeber klar erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen. Auch ein solches wörtliches Angebot ist jedoch entbehrlich, wenn der Arbeitgeber zu erkennen gegeben hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde – was er zum Beispiel durch eine Freistellung regelmäßig tut. Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges waren in diesem Fall also grundsätzlich gegeben.
Allerdings, und dies ist der interessante Teil der Entscheidung, hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass der Annahmeverzug des Arbeitgebers nicht ohne weiteres ausgeschlossen sei, weil der Arbeitnehmer außer Stande ist, seine Arbeitsleistung zu bewirken. Eine solche Unmöglichkeit kann auf tatsächlichen Umständen (zum Beispiel Arbeitsunfähigkeit) oder rechtlichen Gründen (Fehlen von erforderlichen Erlaubnissen oder deren Entzug) beruhen. Das Bundesarbeitsgericht untersuchte sehr eingehend, was hier genau vorgefallen war. Entscheidend war, dass dem Arbeitnehmer das Betreten des Flughafens nach wie vor erlaubt und seine Beleihung als Luftsicherheitsassistent nicht widerrufen war. Die Luftfahrtbehörde hatte zwar eine Zuverlässigkeitsüberprüfung angeordnet, allerdings führte dieses Verfahren nicht zu dem Ergebnis, dass die Feststellung der Zuverlässigkeit aufgehoben wurde. Die bloße Aufforderung der Bundespolizei, den Mitarbeiter nicht mehr einzusetzen, kann ein rechtliches Unvermögen nicht begründen, denn sie enthält weder ein Beschäftigungs- noch ein Zugangsverbot. Das „Einsatzverbot“ der Bundespolizei verbietet dem Kläger nicht die Ausübung seiner Tätigkeit, sondern dem Arbeitgeber den Einsatz des Klägers. Die Bundespolizei hat damit keine Entscheidung auf hoheitlicher Grundlage, sondern als Auftraggeberin der Sicherheitsfirma, getroffen.
Eine solche Konstellation tritt relativ häufig, insbesondere beim Outsourcing, auf. Wünscht der Auftraggeber, einen bestimmten Arbeitnehmer des Auftragnehmers nicht mehr einzusetzen, so begründet dies dem Grundsatz nach kein Unvermögen des Arbeitnehmers und setzt den Arbeitgeber somit in Annahmeverzug. Ein Annahmeverzug wäre nur dann ausgeschlossen, wenn die Annahme der Arbeitsleistung unzumutbar wäre. Dies ist immer dann der Fall, wenn dem Arbeitnehmer ein ungewöhnlich schwerer Verstoß gegen allgemeine Verhaltenspflichten zur Last gelegt werden kann.
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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Oktober 2015, 5 AZR 843/14
Kündigungsschutzklagen werden vor dem Arbeitsgericht häufig durch einem Vergleich beendet. Eine oftmals darin anzutreffende Klausel lautet „über das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt abzurechnen und den sich ergebenden Nettolohn an den Kläger auszuzahlen“. Trotz der scheinbaren Eindeutigkeit und der Gängigkeit dieser Klausel bietet sie doch immer wieder Anlass zu Auseinandersetzungen.
So hatte das Bundesarbeitsgericht kürzlich einen Streit zu entschieden, dem folgender Sachverhalt zu Grunde lag: die Klägerin, die bei mit einer Stundenzahl von 12 Wochenstunden beschäftigt war, wurde von ihrer Arbeitgeberin zum 31. Dezember 2011 gekündigt und erhob dagegen Kündigungsschutzklage. Letztendlich wurde vor dem Arbeitsgericht ein Vergleich mit dem Inhalt geschlossen, dass das Arbeitsverhältnis bei Freistellung erst zum 31. Dezember 2013 beendet worden ist und sich die Arbeitgeberin verpflichtete, über das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen und die sich ergebenden Nettolohnansprüche an die Klägerin auszuzahlen. Seit dem 1. Januar 2012 war die Klägerin jedoch bereits bei einem anderen Arbeitgeber mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 17 beschäftigt. Die alte Arbeitgeberin vom Lohnanspruch den Verdienst ab, den die Arbeitnehmerin an ihrer neuen Arbeitsstelle erwarb. Die Klägerin erhob daraufhin Klage beim Arbeitsgericht und klagte diesen Betrag ein. Sie erhielt teilweise recht. Das Bundesarbeitsgericht teilt den Lohnanspruch auf die 17 Wochenstunden auf: zum einen auf den Betrag, den die Arbeitnehmerin verdient hätte, wenn sie ihre Arbeitsleistung bei ihrer alten Arbeitgeberin ordnungsgemäß erbracht hätte (das sind zwölf Wochenstunden) und den Betrag, den sie jetzt bei Ihrem neuen Arbeitgeber mehr arbeitet (das sind die zu 17 Stunden fehlenden fünf Stunden). Den ersten Teil, den beim neuen Arbeitgeber verdienten Lohn für zwölf Stunden, durfte die Arbeitgeberin nach Auffassung des BAG vom Lohn abziehen, denn nach § 615 S. 2 BGB ist auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzuges das anzurechnen, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung seiner Dienste verdient hat. Das BAG stellt aber klar, dass ausschließlich das anzurechnen ist, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung desjenigen Teils seiner Arbeitskraft erwirbt, die er dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen verpflichtet war. Arbeitet der Arbeitnehmer nun – wie im vorliegenden Fall – bei seinem neuen Arbeitgeber mehr als bei seinem alten, so ist dieser Betrag nicht anzurechnen.
Es wird damit deutlich, dass die geschilderte Klausel durchaus nicht ganz unproblematisch zu handhaben ist. Es sollte daher stets der Rat eines Rechtsanwalts im Arbeitsrecht eingeholt werden. Ein weiterer Nachteil dieser Klausel ist der Umstand, dass sie so gut wie nicht vollstreckbar ist, falls sich der Arbeitgeber weigert, über das Arbeitsverhältnis abzurechnen. Ein Zwangsgeld kann hier nicht festgesetzt werden, da der Arbeitnehmer den Lohn selbst berechnen kann. Hat er dies getan, müßte er erneut auf Zahlung klagen.
Für alle Fragen rund um das Arbeitsrecht stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt jederzeit zur Verfügung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Januar 2016,5 AZR 452/15
Muss ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber Schadensersatz zahlen, wenn er etwas falsch gemacht hat?
Die Antwort lautet: es kommt drauf an!
Während im „normalen Leben“ schon derjenige zum Schadensersatz verpflichtet ist, wer auch nur leicht fahrlässig handelt, ist dies im Arbeitsverhältnis nicht so.
Der Grund ist einfach: der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer ja erst mit der Tätigkeit, die dann zum Schaden führt beauftragt und der Arbeitnehmer könnte geneigt sein, lieber gar nichts zu tun, als womöglich Schadensersatz leisten müssen.
Klar ist: wer das Auto des Arbeitgebers betrunken vor den Baum fährt, muss dafür zahlen. Doch nicht alle Fälle sind so eindeutig, wie ein neuer Fall des Bundesarbeitsgerichts zeigt.
Beispiel Fall zu einem Schadensersatzklage durch den Arbeitgeber
Grundlage war das angebliche Fehlverhalten des Mitarbeiters eines Autozulieferers, dessen Aufgabe darin bestand, die Arbeitszeiten für die Heimarbeiter bei der Vor-und Endmontage von Schlauchteilen zu berechnen. Als der Arbeitgeber im Jahre 2006 neue, schnellere Maschinen für die Heimarbeiter angeschafft hatte, vergaß der Mitarbeiter die Arbeitszeiten an die neue Arbeitsgeschwindigkeit der Maschinen anzupassen und so hat der Arbeitgeber die Auffassung vertreten, dass ihm durch dieses Verhalten ein finanzieller Schaden in Form der zu viel bezahlten Personalkosten entstanden ist – nach der Devise: warum kaufe ich neue, schnellere Maschinen, wenn die Arbeitszeiten hinterher doch die gleichen bleiben. Dies sei eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten, weshalb der Arbeitnehmer Schadensersatz leiste müsse, argumentierte der Arbeitgeber. Die Vorinstanzen sahen das auch so und haben der Klage des Arbeitgebers stattgegeben, das BAG hat diese Entscheidung jedoch aufgehoben.
Ausgangspunkt der Begründung der Entscheidung des BAG ist die gesetzliche Regelung in § 619a BGB, nach der die Darlegung-und Beweislast dafür, dass ein Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag vorwerfbar verletzt hat und deshalb dem Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichtet ist, beim Arbeitgeber liegt. Das Vorliegen einer solchen Arbeitsvertragsverletzung hat das BAG bejaht, da durch die fehlerhafte Berechnung zu viel Lohn gezahlt worden sei.
Allerdings hat der Arbeitnehmer eingewandt, dass sein Vorgesetzter bereits seit mehreren Jahren von diesen Zahlen wusste und es insoweit auch eine Absprache zwischen ihm und dem Vorgesetzten gegeben habe, dass die Arbeitszeiten allesamt einheitlich zu einem späteren Zeitpunkt umgestellt werden sollten. Auf juristisch heißt dies Mitverschulden. Das BAG prüfte also weiter, ob der Arbeitgeber für die Entstehung des Schadens mitverantwortlich ist. Hierbei stellt das Gericht zunächst klar, dass die bloße Kenntnis eines Vorgesetzten über fehlerhafte Arbeit für ein Mitverschulden nicht ausreichend ist, ebensowenig reichen bloße Absprachen. Entscheidend komme es darauf an, ob es eine entsprechende Weisung des Arbeitgebers gegeben hat oder nicht. Da es eine solche Weisung nicht gab, stellte das Gericht ein Mitverschulden zumindest aus diesem Grunde nicht fest.
Das Gericht bringt nun einen weiteren Aspekt des Mitverschuldens ins Spiel, nämlich das so genannte Organisationsdefizit beim Arbeitgeber. Dies bedeutet, dass ein Arbeitgeber seinen Betrieb so zu organisieren hat, dass Schäden weitmöglichst vermieden werden – vor allem dass die Arbeit auch regelmäßig kontrolliert wird. Dies setzt wiederum voraus, dass die Kontrollaufgaben der Vorgesetzten durch den Arbeitgeber richtig bestimmt werden. Dabei ist zu fragen, ob aufgrund von entsprechenden Vorkommnissen in der Vergangenheit Kontrollmaßnahmen ergriffen oder unterlassen worden sind. Die Beweislast für ein solches Mitverschulden trägt jedoch der Arbeitnehmer – der diesen Beweis nur schwer wird führen können, da er die Entscheidungsgründe innerhalb des Unternehmens nicht kennen wird. Das BAG legt deshalb fest, dass der Arbeitnehmer verlangen kann, dass der geschädigte Arbeitgeber an der Beweisführung (gegen ihn selbst!) mitwirkt, soweit die Umstände aus seiner Sphäre stammen. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zum Beispiel die Darlegung verlangen kann, was der Arbeitgeber zur Schadensminderung unternommen hat. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das BAG die Entscheidung aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Insbesondere, da nach den eigenen Angaben des Arbeitgebers fast alle Vorgabezeiten des Arbeitnehmers zu hoch waren, hätte nach Auffassung des Gerichtes doch eigentlich eine stichprobenartige Kontrolle zu ein viel früheren Zeitpunkt in Fehlverhalten ein Ende gesetzt.
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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21 Mai 2015 – 8 AZR 116/14