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Anfechtung eines Testaments: was sind die Folgen?

 

In meiner Kanzlei als Rechtsanwalt im Erbrecht begegne ich häufig zahlreichen Missverständnissen, die sich um die Anfechtung eines Testamentes ranken. Mir ein paar grundlegenden soll hier aufgeräumt werden. Es gibt zunächst einige gesetzlich festgelegte Gründe, aus denen ein Testament angefochten werden kann. Einer davon ist der Fall, in dem der Erblasser einen bei Abfassung des Testamentes noch nicht vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, also jemanden, der erst nach der Errichtung des Testaments geboren worden ist. Einfach ausgedrückt: wird nach Testamentserrichtung ein Kind geboren, so kann dieses das Testament anfechten, wenn es nicht bedacht wurde. Nicht eindeutig regelt das Gesetz hingegen die Folge einer solchen Anfechtung: Soll sich die Wirkung der Anfechtung von vornherein nur auf die Nichtigkeit in dem Umfang beschränken, der erforderlich ist, um dem Pflichtteilsberechtigten zu seinem gesetzlichen Erbteil zu verhelfen oder soll es zu einer Gesamtnichtigkeit der Verfügung kommen?

Das Oberlandesgericht Schleswig hat in einem Beschluss vom 7. Dezember 2015 hierzu Stellung genommen und sich der letztgenannten Ansicht angeschlossen. Der Entscheidung lag ein Fall zu Grunde, in der der verheiratete Erblasser bei Testamentsabfassung einen Sohn hatte. Jahre später wurde sein zweites Kind, der jetzige Kläger geboren. In dem Testament hatte der Vater seine Ehefrau (aus steuerlichen Gründen) enterbt und sein Sohn als einzigen Erben eingesetzt. Das letztgeborene Kind hat das Testament angefochten und ein Erbschein beantragt, der ihn und seinen Bruder als Erben zu je ½ ausweist. Das Oberlandesgericht hat in dieser Entscheidung entschieden, dass die wirksam erklärte Anfechtung grundsätzlich die Nichtigkeit der gesamten letztwilligen Verfügung zur Folge hat und einzelne Verfügungen nur dann wirksam bleiben, wenn ein entsprechender Wille des Erblassers hierzu explizit festgestellt werden kann. Dies bedeutet, dass er seine Verfügung auch dann getroffen hätte, wenn im Zeitpunkt der Testamentserrichtung gewusst hätte, dass ein weiterer pflichtteilsberechtigter Erbe vorhanden wäre. Das OLG kommt vorliegend zu dem Ergebnis, dass das Testament insgesamt nichtig sei. Allerdings galt dies nicht für die Enterbung der Ehefrau, da sich der hypothetische Wille des Erblassers ermitteln ließ, dass er diese auch enterbt hätte, wenn ihm die Existenz des weiteren Kindes bekannt gewesen wäre. Es ging bei der Enterbung nämlich ausschließlich darum, steuerliche Vorteile zu erlangen. Da die Erbeinsetzung im Übrigen unwirksam war, griff insoweit die gesetzliche Erbfolge, nach der die beiden Geschwister Erben zu je ½ geworden sind.

Diese Entscheidung zeigt erneut deutlich, wie sehr es im Erbrecht auf die genauen Umstände des konkreten Einzelfalles ankommt. Insbesondere in solchen Konstellationen sollte auf die Beteiligung eines im Erbrecht tätigen Rechtsanwalts nicht verzichtet werden.

 

OLG Schleswig, Beschluss vom 7. Dezember 2015,3 Wx 108/15

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