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Arbeitnehmerdatenschutz – Schmerzensgeld nach Videoüberwachung

Rechtlicher Rahmen

Hegen Arbeitgeber den Verdacht, dass ihre krankgeschriebenen Arbeitnehmer ihre Krankheit in Wahrheit nur vortäuschen, so stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, um sich Gewissheit über die tatsächliche Arbeitsunfähigkeit zu verschaffen. Eine davon ist der Einsatz von Detektiven. Ein solcher Einsatz ist jedoch nicht unbedenklich und seine Zulässigkeit unterliegt engen Grenzen – diese beginnen bereits bei der Frage nach der Zulässigkeit der Überwachung als solcher und setzen sich bei der Art und Weise der Ausführung, des Umfanges usw. fort. Hintergrund dieser Grenzen ist, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes (gelber Schein) zwar nicht den vollen Beweis der Arbeitsunfähigkeit erbringt, ihr aber ein hoher Beweiswert zukommt. Ohne konkrete Anhaltspunkte kann eine solche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht in Zweifel gezogen werden, was sich somit auf die Zulässigkeit der Überwachung der Arbeitnehmer auswirkt. Werden diese Regeln nicht eingehalten, so kann dies nicht nur dazu führen, dass die erhobenen Daten bzw. Erkenntnisse im Einzelfall im Kündigungsrechtsstreit unverwertbar sind, sondern auch dazu, dass den betroffenen Arbeitnehmern unter Umständen ein Schmerzensgeldanspruch zusteht.

 

Die Entscheidung

Mit Urteil vom 19. Februar 2015 entschied das Bundesarbeitsgericht erstmals, dass einem Arbeitnehmer grundsätzlich ein Schmerzensgeldanspruch zustehen kann, wenn dieser im Auftrag seines Arbeitgebers in seinem Privatbereich von einem Detektiv überwacht wird und von dieser Überwachung sogar Videoaufzeichnungen gemacht werden. In dem entschiedenen Fall war die Klägerin als Sekretärin der Geschäftsleitung angestellt. Als sie für längere Zeit arbeitsunfähig wurde, traute der Arbeitgeber diesen Bescheinigungen nicht und beauftragte kurzerhand einen Privatdetektiv, um die tatsächliche Arbeitsunfähigkeit zu überprüfen. In diesem Zusammenhang filmt der Privatdetektiv die Klägerin und ihren Ehemann vor ihrem Haus und Garten. Aufgrund der Erkenntnisse kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Mit der hier besprochenen Entscheidung macht die Klägerin einen Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts geltend und verlangte ein dreifaches Bruttomonatsgehalt, in diesem Falle 10.500 €. Das Bundesarbeitsgericht sprach ihr letztlich jedoch lediglich 1.000,- € zu.

Wichtig an der Entscheidung ist weniger die Höhe als vielmehr der Umstand, dass das BAG hier erstmals festgestellt hat, dass Arbeitnehmern im Falle der rechtswidrigen Überwachung überhaupt ein Schmerzensgeldanspruch zustehen kann.

Ausgangspunkt der Entscheidung ist, dass es zum Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen gehört, darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht werden oder nicht. Die Frage, ob ein rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vorliegt, ist an § 32 Bundesdatenschutzgesetz zumessen. Danach dürfen personenbezogene Daten (wozu auch das aufgezeichnete Bild einer Person fällt) eines Beschäftigten zur Aufdeckung von Straftaten – in Betracht kommt die Verschaffung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils durch Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit – nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten nicht überwiegt. Das BAG verneint in dieser Entscheidung das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Erhebung solcher personenbezogenen Daten. Es begründet dies in erster Linie mit dem hohen Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, der es erfordert, dass zumindest begründete Zweifel an der Richtigkeit vorliegen, wenn eine solche Überwachung zulässig sein soll. Solche begründeten Zweifel können zum Beispiel dann vorliegen, wenn die Arbeitsunfähigkeit angekündigt wird oder mehrerer Bescheinigungen von unterschiedlichen Ärzten stammen. Das Gericht hält nämlich auch fest, dass die Überwachung von Arbeitnehmern nicht per se rechtswidrig ist. Das Gericht hat anspruchsmindernd berücksichtigt, dass die Videoaufnahmen zwar im privaten Lebensbereich der Klägerin stattfanden, jedoch nicht die Intim-oder Privatsphäre betrafen und das sich die Geschehnisse in der Öffentlichkeit abspielten. Ebenfalls anspruchsmindernd hat es berücksichtigt, dass die Aufzeichnungen vertraulich aufbewahrt wurden und nicht an Dritte weitergegeben wurden.

 

Bei Fragen und Problemen zu diesem Bereich stehe ich Ihnen natürlich gerne zur Verfügung.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Februar 2015, 8 AZR 1007/13,

http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&nr=18132

 

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