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Rechtsmissbrauch bei der Gestaltung befristeter Arbeitsverträge

Ein Arbeitgeber kann einen Arbeitsvertrag ohne jeglichen Grund (sog. sachgrundlose Befristung) bis dreimal zu einer Dauer von zwei Jahren befristen. Der Vorteil liegt auf der Hand: beim Auslaufen der Befristung greift der Kündigungsschutz nicht ein und das Arbeitsverhältnis endet ohne Kündigung. Um dieses sehr wichtige Ergebnis zu erzielen, werden immer wieder aufwändige Gestaltungen mehr oder weniger erfolgreich ausprobiert. Wie aber kann sich ein Arbeitnehmer dagegen zur Wehr setzen, wenn er eine Umgehung des Kündigungsschutzes mittels Befristungen vermutet  – und vor allem: was muss er dafür beweisen?

Das Bundesarbeitsgericht hatte in einer Entscheidung vom 25. Juni 2015 einen Streit zu entscheiden, in dem der Kläger pikanterweise zunächst bei der Bundesagentur für Arbeit befristet angestellt war und nach Auslaufen der Befristung dann bei der Beklagten, die gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit Trägerin des Jobcenters ist. Auch bei dieser erhielt der Kläger wiederum nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Seinen Arbeitsplatz wechselte er beim Arbeitgeberwechsel nicht, der Schreibtisch und die Aufgaben blieben identisch. Nach Auslaufen der Befristung bei der Beklagten, es waren bei beiden Arbeitgebern insgesamt mehr als zwei Jahre vergangen, reichte er Klage beim Arbeitsgericht mit dem Antrag ein, festzustellen, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses unwirksam war und er dementsprechend in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten stand. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab, das Bundesarbeitsgericht hob die Entscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück.

Aber zunächst zur Antwort auf die erste Frage: einziges Mittel für den Arbeitnehmer, sich auf die Unwirksamkeit der Befristung seines Arbeitsvertrages zu berufen ist eine Klage beim Arbeitsgericht. Diese so genannte Entfristungsklage ist innerhalb von drei Wochen nach Ende des Arbeitsverhältnisses zu erheben – genauso wie die Kündigungsschutzklage im Falle einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Das BAG hat dabei festgestellt, dass die Beschäftigungszeiten beim ehemaligen Arbeitgeber (hier also der Bundesagentur für Arbeit) nicht auf das neue Arbeitsverhältnis (hier bei der Beklagten) angerechnet werden. Es ist dabei unerheblich, ob die beiden Arbeitgeber einen gemeinsamen Betrieb betreiben, wenn dieser keinerlei Personalhoheit hat, d.h. weder Personal einstellen noch kündigen darf. Steuern die beiden Inhaber jeweils nur die Arbeitnehmer bei, so gilt derjenige als Arbeitgeber, der im Arbeitsvertrag als Arbeitgeber bezeichnet wird. Eine Anrechnung der Beschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern findet nicht statt. Es ist klar, dass in einer solchen Konstellation der Rechtsmissbrauch durch Ausnutzung dieser formalen Stellung unterbunden werden muss. Ein solcher Rechtsmissbrauch liegt im Arbeitsrecht vor, wenn die Vertragsgestaltung ausschließlich zu dem Zweck gewählt wurde, die Unwirksamkeit der Befristung zu umgehen. Dies betrifft also die Intention der beiden Arbeitgeber, eine sog. innere Tatsache.

Das führt uns zur zweiten Frage: wie soll der Arbeitnehmer die Beweggründe der Arbeitgeber und damit den Rechtsmissbrauch nachweisen können? Hierzu hat das BAG in der Entscheidung erstmals Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast in solchen Fällen aufgestellt. Wie so häufig im Arbeitsrecht greift das Gericht dabei auf die so genannte abgestufte Darlegungs-und Beweislast zurück. Dies bedeutet als Ausgangspunkt, dass der Arbeitnehmer den Rechtsmissbrauch zu beweisen hat. Dies wird ihm natürlich in aller Regel nicht gelingen, da er die internen Zusammenhänge und die jeweilige Motivation der beiden Arbeitgeber nicht kennt. Aus diesem Grunde besagt die Regel, dass der Arbeitnehmer zunächst Indizien vortragen muss, aus denen sich der Rechtsmissbrauch ergeben kann. Dies ist im vorliegenden Fall zum Beispiel der nahtlose Übergang von einem Arbeitsverhältnis ins nächste, der gleiche Arbeitsplatz, die gleichen Vorgesetzten. Der Arbeitgeber muss darauf in einem nächsten Schritt Umstände vortragen, die seine Entscheidungen einem anderen Licht erscheinen lassen und dabei zum Beispiel die (nachvollziehbaren!) Gründe für den Arbeitgeberwechsel vortragen. Erst wenn es dem Arbeitgeber gelingt, für seine Entscheidung belastbare Gründe anzuführen, muss der Arbeitnehmer beweisen, dass diese Entscheidung ausschließlich zum Zwecke des Rechtsmissbrauchs erfolgt ist.

 

Bei allen Fragen rund um die Befristung im Arbeitsrecht stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Bundesarbeitsgericht Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 AZR 452/13

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